Kaum hatte ich in einer Podcastfolge das erste Mal das Wort Selbstmitgefühl gehört, taucht das Wort an anderem Ort auf. In „Psychologie heute“ ist es das Titelthema der Ausgabe 1/2023. Manchmal, so scheint es, liegt ein Thema in der Luft. Zum Jahreswechsel jedenfalls beschäftige ich mich mit der Frage, warum ich anderen gern Trost spende und Hilfe anbiete, mit mir aber meist harsch und ungeduldig bin.
„Reiß dich zusammen“ raune ich mir zu, wenn mich eine Bemerkung kränkt, wütende Tränen wallen hoch, wenn ich meinen Schlüssel mal wieder suche… da kommt mühelos eine ganze Liste mit Ärgernissen zusammen. Und der richtet sich gegen mich, obwohl fehlende Konzentration und Fehler meist verständliche Ursachen haben. Doch warum sind wir so streng mit uns – nobody is perfect. Sich selbst so zu behandeln, wie die beste Freundin, das ist Selbstmitgefühl. Einen Schritt zur Seite treten und sich selbst wie eine andere Person zu beobachten, nachsichtig mit sich zu sein – klingt irgendwie nach einer guten Idee.
Doch wie geht das?
Ein paar Artikel und besinnlichen Minuten auf dem Sofa später, versuche ich es erstmal mit einer freundlichen Selbstansprache. Gleich morgens erzähle ich meinem Spiegelbild, „gut siehst du aus, etwas müde vielleicht“ und dann verspreche ich mir noch vor dem Zähneputzen „heute gehst du um 22 Uhr ins Bett und liest den neuesten Harry-Bosch-Krimi, egal was kommt“. Ich werde berichten, was das mit mir macht, ob das Leben leichter wird.
Was passiert, wenn ihr euch liebevoll euch selbst zuwendet? Wenn ihr zum Beispiel in der Mittagspause merkt, dass euer vorbereitetes Mittagessen zu Hause im Kühlschrank liegen geblieben ist. „Vielleicht hast du einfach viel zu viel zu erledigen und viel zu wenig geschlafen“ würdest du einer Freundin sagen. Sag es dir – gern auch laut in mitfühlendem Ton. Und kauf dir eine leckere Bowl vom Vietnamesen um die Ecke – zum Trost für deine verständliche Vergesslichkeit. Das ist kein Egoismus, sondern stärkt das Selbstwertgefühl und schont deine Nerven.