Es ist in aller Munde und es ist selten dasselbe gemeint. Für die einen ist es der Schlüssel für ein erfülltes und bewusstes (Er-)Leben – die anderen wissen wenig damit anzufangen, denken sie müssen alles langsamer machen . Sie winken ab nach dem Motto „Für Achtsamkeit habe ich keine Zeit.“ Für mich bedeutet Achtsamkeit, allem um mich herum und in mir, die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Präsent sein und annehmen, was ist. So ähnlich hat es die Zen-Buddhistin Jan Chosen Bays in ihrem Buch „Achtsam durch den Tag“ beschreiben. Sie stellt fest, dass ein Leben auf Autopilot nichts Schlechtes sei, aber es es stelle sich ein vages Gefühl der Unzufriedenheit ein, wenn man den Tag quasi erledigt, Pausen mit Ablenkung füllt und so das eigene Leben versäumt.
Präsenz statt Autopilot
Bis vor sieben Jahren startete ich mit dem Weckerklingeln in den Tag. Der Kaffee wartete aufgebrüht in der programmierten Kaffeemaschine. Mit der Tasse ab ins Bad, Anziehen und dann los ins Auto Richtung Schanze – manchmal auch per Fahrrad. An den Weg hatte ich schon beim Einparken keine Erinnerung mehr. Geschimpft über Ampeln und Autos habe ich immer und abends musste ich scharf überlegen, wo denn mein Auto steht oder war ich mit dem Fahrrad da? Und das fünf Tage hintereinander und zack war eine Woche um.
Das unzufriedene Gefühl, nicht ganz da gewesen zu sein, wenn ich Freitag nach Hause kam, war nicht einmal vage, sondern wirkte das ganze Wochenende nach. Dieses unbefriedigende Lebensgefühl stellte ich allenfalls nach langen Urlauben in Frage, und so richtig erst nach meiner Yoga-Ausbildung. Im Ashram starteten wir um 6:30 Uhr mit einem Satsang in den Tag: Singen, Tanzen, Meditieren. Mindestens eine Stunde lang! Die Müdigkeit war weg, für Grübeleien war kein Platz, Ruhe und Klarheit stellten sich ein. Viereinhalb Wochen voller Aktivitäten für alle Sinne – mein Autopilot war vergessen und ich war ganz da.
Gegenwärtige Aufmerksamkeit erlernen
Ich tat mich schwer, als ich wieder zuhause war, zurück im Arbeitsalltag. Aber ich hatte eine Idee von dem Wert gegenwärtiger Momente. Was es meint, wirklich im Hier und Jetzt zu verweilen. Bays nennt Gegenwärtige Momente „Kostproben erleuchteten Lebens“. Und sie hat mich überzeugt, dass sich Achtsamkeit lernen lässt. In ihrem Buch liefert sie 52 Übungen für jede Woche im Jahr. Frei nach Bays gibt es in der Leichtigkeitsschule Wochenaufgaben, um gute Gewohnheiten einzustudieren – auch für mehr Achtsamkeit.
Ähnlich wie beim Meditieren ist mehr Achtsamkeit nichts, was erledigt werden muss. Auch beim Meditieren (und beim Yoga) gilt es nicht, etwas durchzumeditieren. Im Gegenteil, unser Geist soll zur Ruhe kommen, nichts denken. Wir sind nicht unsere Gedanken – wir sind nicht einmal unsere Gefühle! Manchmal spüre ich am Ende einer Yogastunde die Ruhe, die in mir Zuhause ist, die ich nur nicht bemerke, wenn ich von Termin zu Termin hetze, meine Listen abarbeite und ständig in mein Handy starre.
Wann bist du ganz da?
Ich erobere mir die präsenten Momente, durch Yoga, Achtsamkeitsübungen oder Tätigkeiten, die mir Ruhe schenken, wie zum Beispiel Gärtnern. In der Leichtigkeitsschule ist Achtsamkeit oft das Thema einer Wochenaufgabe. Für Leichtigkeit ist Achtsamkeit ebenso wichtig wie guter Schlaf, nahrhaftes Essen, ein Treffen mit lieben Menschen oder eine Yogastunde. Finde heraus, wann du ganz bei dir ankommst.
Übrigens starte ich jetzt deutlich langsamer und bewusster in den Tag. Ich koche mir aufwändig meinen Kaffee. Dann setze ich mich nochmal hin, um in Ruhe meine Träume zu erinnern und die Wärme zu genießen, die der Kaffee mir schenkt. Immer nehme ich mein Fahrrad oder gehe zu Fuß. Ich bin etwas mehr da, wo ich gerade bin. Dafür suche ich seltener meinen Schlüssel, komme öfter an die frische Luft und habe auf meinem Arbeitsweg die eine oder andere gute Idee bekommen und den einen oder anderen Vogel entdeckt…
Eine Achtsamkeitsübung für dich
Probier es aus: Benutze in der kommenden Woche für alles, was du tust, deine nicht dominante Hand – du wirst merken, dass dir nichts so nebenbei gelingt, der Autopilot nicht anspringt. Sei öfter ganz da und schaue selbst, ob Achtsamkeit dir hilft, leichter und zufriedener zu werden. Und wenn dir das gefällt, dann empfehle ich dir das oben erwähnte Buch von Bays.